Zum Hauptinhalt springen

[Kommentar] Wie die Jugend gewählt hat

Europawahl 2024

// Johannes Kemnitz

Jetzt ist die Europwahl fast eine Woche her und auch die politische Jugendbildung hatte nun Zeit sich mit dem Ergebnis zu beschäftigen - der Versuch eines Kommentars.

Die Europawahl 2024 in Deutschland hat deutlich gemacht, dass junge Wähler ihre politischen Präferenzen neu ordnen und dabei etablierte Parteien herausfordern. Dies zeigt sich besonders in der veränderten Wahlbeteiligung der 16- bis 24-Jährigen. (Das Wahlalter wurde bei dieser Wahl erstmals europaweit auf 16 Jahre gesenkt.) Die AfD und kleine Parteien wie Volt haben überraschend hohe Stimmenanteile erhalten, während traditionell stärkere "jugendaffine" Parteien wie die Grünen deutliche Verluste hinnehmen mussten. Dieser Trend wirft wichtige Fragen für die politische Bildungsarbeit auf.

Eine kurze Analyse

Die rechtspopulistische AfD hat ihre Präsenz in sozialen Medien wie TikTok verstärkt und dadurch besonders junge Wähler angesprochen. Das zeigt, dass junge Menschen durchaus politisch mobilisiert werden können, jedoch noch immer nicht von den traditionellen Akteuren auf ihren Kommunikationswegen. Trotz intensiver Versuche der Ampelparteien und der CDU hier Fuß zu fassen, wurde bei weitem nicht eine ähnliche Reichweite erreicht. Die Grünen, die bei früheren Wahlen stark von der jungen Wählerschaft profitierten, haben stark verloren. In vielen Presseberichten wird diese auf eine enttäuschende Bilanz ihrer Regierungsbeteiligung und deren politischen Entscheidungen zurückgeführt.

Es ist jedoch nicht nur die Wahl der Kommunikationsform, die die Jugendlichen zu ihrer Wahlentscheidung geführt hat. Schon die Jugendstudien der letzten Zeit haben nachgewiesen, dass die viel zitierte "Generation Greta" (umweltbewusst und "woke") keine homogene Generation ist. Vor allem in Ostdeutschland sehen wir ein dramatisches Wachstum an Stimmen für die AfD. Ein nicht repräsentatives, aber trotzdem sehr aussagekräftiges Bild liefert hier bspw. Thüringen in der U18-Wahl. Das heißt an dieser Stelle auch, dass Politik anders auf diese Jugendlichen zugehen muss.

Die Rolle der politischen Jugendbildung

Auch für die politische Jugendbildung ergeben sich dadurch neue Aufgaben. Die Entwicklungen zeigen, dass politische Bildungsarbeit flexibler und reaktionsfähiger werden muss. Es reicht nicht, junge Menschen nur zur Wahl zu mobilisieren; es muss auch darum gehen, ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, kritisch über die Inhalte und Versprechungen, die in den Medien und von politischen Parteien präsentiert werden, nachzudenken. Wir müssen Konsequenzen politischer Entscheidungen kritisch hinterfragen und gemeinsam im Sinne des Beutelsbacher Konsens für eine wertebasierte Kontroversität streiten.

Die politische Jugendbildung sollte daher:

1. Medienkompetenz fördern: Wir brauchen mehr Konzepte um Teilnehmenden zu erklären, wie sie Informationen kritisch bewerten und die Glaubwürdigkeit von Quellen hinterfragen können. Nicht nur aber insbesondere in sozialen Medien.
2. Verständnis für politische Prozesse vertiefen: Wir müssen mehr und besser erklären, wie und warum politische Entscheidungen getroffen werden und wie sie das tägliche Leben beeinflussen. Und wir müssen klarmachen, dass Kompromisse eine Essenz der demokratischen Streitkultur sind.
3. Engagement anregen: Die Jugendbildung sollte Wege aufzeigen, wie junge Menschen aktiv an der Gestaltung ihrer politischen Umwelt mitwirken können, sei es durch Wahlen, zivilgesellschaftlichem Engagement oder politischer Diskussionen.
4. Vielfältige Perspektiven integrieren: Die Inhalte der politischen Bildung müssen die Vielfalt der politischen Meinungen und Kulturen widerspiegeln, um eine inklusive und umfassende Diskussion zu fördern. Dabei sollten wir jedoch nicht unsere Werte aus den Augen verlieren und klare Kante gegen Menschenverachtung und Intoleranz zeigen.

 

Die Ergebnisse der Europawahl 2024 sind ein klares Signal, dass sich junge Wähler immer weniger bei den etablierten politischen Kräften sehen. Gerade Ostdeutschland hat gezeigt, dass junge Menschen keineswegs eine "sichere Bank" der Demokratie bilden. Die politische Jugendbildung muss diese Veränderungen ernst nehmen und entsprechend reagieren, um junge Menschen effektiv für eine lebendige und vielfältige Demokratie zu gewinnen. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem junge Menschen sich informiert und ermächtigt fühlen, ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.

 

weiterführende Links:

Österreich: Europawahl 2024: Was sagen Jungwählerinnen und Jungwähler zur EU? - Jugendkultur.at (deutsch)

Frankreich: What the French election reveals about young Euroskeptics - Politico (englisch)

Spanien: EU Elections: Spain's young voters are increasingly polarised by gender - euronews (englisch)

Europa: European elections: Who are young Europeans voting for? - the Conversation (englisch)

Europa: As Europe shifts far-right, migrants fear for their futures - Deutsche Welle (englisch)

Deutschland: Wie junge Menschen bei der Europawahl 2024 gewählt haben und warum - mdr

Deutschland: Europawahl 2024: Arbeiterpartei AfD - die Jugend wählt rechts - br24

 

 


Keywords/Tags:

Home