Leichte Sprache hat sich in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre entwickelt. Es ist eine sehr stark vereinfachte Variante der deutschen Sprache, für die strenge Regeln gelten. Sie ist entstanden aus der politischen Emanzipationsbewegung von Menschen mit Behinderung. Diese haben einen gleichberechtigten Zugang zu Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben gefordert. Eine Möglichkeit, diesen Zugang zu erlangen, stellt eine für die Zielgruppe verständliche Sprache dar. Aus der Forderung „Nichts über uns ohne uns“ hat der Verein „Mensch zuerst e. V.“ für sich die Aufgabe abgeleitet, eine Sprache zu entwickeln, die die meisten Menschen aus der Zielgruppe verstehen. Aus dieser Arbeit heraus ist das „Netzwerk Leichte Sprache“ (https://www.leichte-sprache.org/) entstanden, das sich einerseits als Berufsverband für Übersetzer*innen für Leichte Sprache und andererseits als Selbstvertretungsorgan für Menschen mit Lernschwierigkeiten begreift. Leichte Sprache hat also seit jeher eine Rolle in der Politischen Bildung gespielt.
Wer sind die Zielgruppen für Leichte Sprache? Die folgenden Personengruppen profitieren in den meisten Fällen von Texten in Leichter Sprache:
Diese Aufzählung umfasst die wichtigsten Zielgruppen, ist aber nicht abschließend. Denn Texte in Leichter Sprache können auch eine Brückenfunktion einnehmen. Das bedeutet, sie bilden eine Brücke auf dem Weg von sehr leicht verständlichen Texten hin zum Verstehen auch von schwierigeren Texten (sprachlich und inhaltlich). Von Texten in Leichter Sprache als Brücke profitieren auch Menschen, die beispielsweise in der politischen Vermittlungsarbeit tätig sind. Denn diese Texte erleichtern die Arbeit, die häufig im Erklären von politischen Sachverhalten besteht.
Leichte Sprache unterschiedet sich von der Einfachen Sprache in verschiedenen Punkten. Am deutlichsten sichtbar ist dies durch die sprachliche und visuelle Gestaltung. Bei Leichter Sprache gilt die Regel: Ein Satz pro Zeile und nur eine Info pro Satz. Komma-Sätze sollen im Idealfall nicht vorkommen. Fachbegriffe werden entweder erklärt oder durch im Alltag gebräuchliche Begriffe ersetzt. Es wird eine maximal verständliche Sprache verwendet, um eine möglichst große Anzahl an Menschen aus der Zielgruppe zu erreichen. Hinzu kommt, dass Texte in Leichter Sprache normalerweise mit speziellen Bildern illustriert werden. Diese unterstützen das Erfassen und Verstehen des Textes. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist, dass Texte in Leichter Sprache von professionellen Übersetzer*innen für Leichte Sprache erstellt werden (sollten) und dass sie von Menschen aus der Zielgruppe geprüft werden müssen. Diese arbeiten in den meisten Fällen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Die Textprüfung ist dann ein Teil ihrer Arbeit in der Werkstatt.
Im Gegensatz zur Einfachen Sprache ist Leichte Sprache für alle öffentlichen Stellen in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das Deutsche Institut für Normung (DIN e.V.) mit der Erarbeitung einer DIN SPEC für Leichte Sprache beauftragt. Eine Spezifizierung ist so ähnlich wie eine DIN-Norm, ist aber kostenlos erhältlich. Es kann später eine DIN-Norm daraus werden. Die DIN SPEC 33429 für Leichte Sprache ist derzeit in Arbeit.
Einfache Sprache hat weder fest definierte Regeln noch eine gesetzliche Grundlage. Es geht im Allgemeinen darum, sich einfach und gut verständlich auszudrücken. Legt man den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Fremdsprachen (GER) zugrunde, beginnt Einfache Sprache bei A2 und geht bis B1. Leichte Sprache hingegen beginnt bei A1 und geh bis A2. Es gibt also einen gewissen Überschneidungsbereich. Das Goethe-Institut gibt Wörterlisten für die verschiedenen Sprachniveaus heraus. Diese können eine Orientierung geben, wenn Sie Texte in Einfacher Sprache verfassen oder Texte in Einfache Sprache übertragen.
Beim DIN e. V. arbeitet ein Arbeitskreis derzeit an einer DIN-Norm für Einfache Sprache (DIN ISO 24495-1, Einfache Sprache – Teil 1: Grundsätze und Leitlinien). Diese wird im Laufe dieses Jahres veröffentlicht.
Politische Teilhabe bedeutet, dass ein Mensch sich an politischen Prozessen beteiligen und sich einbringen kann. Wie kann also politische Teilhabe mit Leichter Sprache gelingen? Dafür muss es Informationsmaterialien in Leichter Sprache zu möglichst vielen politischen Themen geben. Auf diese Weise können junge Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, sich über Themen und Prozesse informieren, die sie interessieren. Es reicht aber nicht, dass es Materialien und Informationsangebote gibt. Diese müssen auch die Zielgruppe erreichen. Dafür eignen sich beispielsweise Informations-Veranstaltungen, die rundum barrierefrei gestaltet und auf junge Menschen zugeschnitten sind. Auch in der Schule sollten Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter*innen Materialien in Leichter Sprache verwenden. Zudem bieten die Sozialen Medien eine gute Plattform, um junge Menschen mit Informationen in Leichter Sprache zu erreichen, da sich viele davon ganz selbstverständlich dort bewegen oder Interesse an digitaler Teilhabe haben.
Auch in der Politischen Bildung können Sie Informationsmaterialien in Leichter Sprache zur Wissensvermittlung einsetzen. Formulieren Sie dabei auch Aufgaben und Hinweise zum Ablauf in einer Bildungsveranstaltung für die Zielgruppe verständlich in Leichter Sprache. Planen Sie ausreichend Zeit ein, um Programmpunkte vor- und nachzubesprechen. Die Visualisierung von Inhalten aufgezeichnet oder digital ist bei Leichter Sprache besonders wichtig. Schreiben Sie Aufgaben ausformuliert und für die Teilnehmer*innen gut sichtbar auf. Besprechen Sie zusätzlich alle Aufgaben mit der Gruppe, da manche Menschen aus den Zielgruppen für Leichte Sprache schlecht oder gar nicht lesen können.
Denken Sie daran, auch Hinweise und Werbung für Bildungsveranstaltungen sowie den Anmeldeprozess an die Zielgruppen anzupassen und diese in Leichter Sprache zu schreiben.
Lassen Sie unbedingt die Verständlichkeit Ihrer Texte vor der Veröffentlichung von Personen aus der Zielgruppe testen. Dazu können Sie auf eine WfbM in Ihrer Nähe zugehen. Manche bieten Prüflesen als Dienstleistung an. Manche können eine Zusammenarbeit mit Ihnen als Bildungsmaßnahme in ihre Abläufe integrieren. Das lohnt sich für beide Seiten am ehesten, wenn Sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit Texte zum Prüflesen haben.
Teamer*innen und Referent*innen müssen auf Ihre Zielgruppe vorbereitet sein. Planen Sie daher gegebenenfalls eine Schulung ein, in der diese lernen, . niedrigschwellige Bildungsangebote mit Leichter Sprache und mit Einfacher Sprache umzusetzen.
Grundsätzlich helfen Ihnen die Regeln für Leichte Sprache und für Einfache Sprache dabei, Bildungsveranstaltungen zu gestalten, die niedrigschwellig und für die Teilnehmer*innen gut verständlich sind. Beide vereinfachte Varianten unterstützen Sie bei Ihrer Arbeit mit verschiedenen Zielgruppen.
Es gibt mittlerweile viele Bücher über Leichte Sprache, viele davon sind wissenschaftliche Arbeiten. Hier eine kleine Auswahl an Büchern und Broschüren, die einen guten Einstieg ins Thema bieten.
Bredel, Ulla / Maaß, Christiane (2016b): Ratgeber Leichte Sprache. Die wichtigsten Regeln und Empfehlungen für die Praxis. Berlin: Bibliographisches Institut GmbH (Duden).
Grotlüschen, Anke / Buddeberg, Klaus (2020): LEO 2018. Leben mit geringer Literalität. Bielefeld: wbv Media.
Grotlüschen, Anke / Riekmann, Wiebke (2012): Funktionaler Analphabetismus in Deutschland. Ergebnisse der ersten leo. – Level-One Studie.,Münster: Waxmann.
Kellermann, Gudrun (2014): Leichte und Einfache Sprache – Versuch einer Definition, in: Aus Politik und Zeitgeschichte APuZ. 9-11/2014, Leichte und Einfache Sprache, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 7-10.
Die Regeln für Leichte Sprache auf der Internetseite des Netzwerks Leichte Sprache: https://www.leichte-sprache.org/die-regeln/
Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Leichter Sprache und Einfacher Sprache: https://www.netz-barrierefrei.de/wordpress/einfache-sprache/leichte-und-einfache-sprache-gemeinsamkeiten-und-unterschiede/
Erarbeitung einer DIN SPEC für Leichte Sprache: https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/naerg/leichte-sprache-din-spec-mit-empfehlungen-fuer-deutsche-leichte-sprache-in-erarbeitung-871772 (abgerufen 28.2.23)
DIN-Norm zu Einfacher Sprache: https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nat/veroeffentlichung-des-norm-entwurfs-din-iso-24495-1-zur-einfachen-sprache-am-13-mai-2022-867012 (abgerufen 28.2.23)
Übersichtliche Darstellung des "Infoportal Einfache Sprache": https://portaleinfach.org/abc-der-einfachen-sprache/
Info-Broschüre des DGB Bildungswerks Bund
Das Online-Wörterbuch http://hurraki.de/wiki/Hauptseite
Nachrichten in Einfacher Sprache: http://www.nachrichtenleicht.de/
Nachrichten in Leichter Sprache: https://www.ndr.de/fernsehen/service/leichte_sprache/index.html
Über den Bundestag in Leichter Sprache: https://www.bundestag.de/leichte_sprache/was_macht_der_bundestag/parlament
Online-Zeitung in Einfacher Sprache: https://www.bpb.de/politik/grundfragen/politik-einfach-fuer-alle/241348/klar-deutlich-leicht-lesbare-zeitungen
Das Grundgesetz in Einfacher Sprache: https://www.nachrichtenleicht.de/das-grundgesetz-einfach-erklaert.3893.de.html
Aktuelle Meldungen der Bundesregierung in Leichter Sprache: https://www.bundesregierung.de/breg-de/leichte-sprache
Barrierearm - Die Themenwoche |
Politische Jugendbildung ist ein Angebot
der Jugendbildungsreferent*innen von
Arbeit und Leben DGB/VHS e.V.
Home