Barrierearm: Tipps für die Vorbereitung eines Workshops
Erfahrungsbericht aus der Sicht von Teamenden der Politischen Bildung
Als Teamende*r möchte man einen erfolgreichen Workshop durchführen und so viele Teilnehmer*innen wie möglich erreichen und aktivieren. Doch wie kann das gelingen? Unsere Gesellschaft ist vielfältig, und so wird es auch die Gruppe sein, die sich an dem Workshop beteiligt. Die einen lesen gerne und können Inhalte so ohne Probleme aufnehmen, die anderen lernen am besten, indem sie neu Gelerntes selbst wiedergeben. Die einen brauchen mehr Zeit, um zu verstehen, den anderen wird schnell langweilig. Einige arbeiten gerne in Gruppenarbeit, andere können bei lautem Durcheinander schlecht hören. Die einen fühlen sich wohl im Plenum, die anderen haben Diskriminierungserfahrungen gemacht oder haben noch nie gerne vor anderen gesprochen. Wie kann es gelingen, einen Workshop so zu konzipieren, dass für alle etwas dabei ist niemand vergessen wird?
Dieser Beitrag soll helfen, die Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden bei der Planung und Durchführung eines Workshops zu beachten und passende Methoden zu finden. Dabei verstehe ich Inklusion nicht einfach als gemeinsame Veranstaltungen behinderter und nicht behinderter Menschen, sondern als „das selbstverständliche, gleichberechtigte und wertschätzende Miteinander der Verschiedenen, wobei das Selbstverständliche darin besteht, dass ihre Unterschiedlichkeit nicht eigens thematisiert werden muss“ (Katzenbach, 2015, S. 23). Es soll also nicht um zielgruppenspezifische Methoden gehen, sondern um eine Methodenvielfalt, die der Vielfalt der gemeinsam Teilnehmenden gerecht wird: „Inklusive politische Bildung ist keine spezielle Form der politischen Bildung, der Zusatz ‚inklusiv‘ betont vielmehr, dass politische Bildung sich in die Pflicht nimmt, ihre Angebote so zu gestalten, dass sie für alle zugänglich und nutzbar wird." (Bertelmann/Düber/Rohrmann 2020, S. 66; H. i. O.) Dabei ist es besonders wichtig, einige didaktische Grundlagen zu beachten, die als „wesentliche Gelingensbedingungen [für inklusive Bildungsprozesse]“ (Klamp-Gretschel 2022: 20) gelten. Für unseren Kontext wichtig sind insbesondere der Einbezug von Interessen und Bedürfnissen der Lernenden, die Offenheit in der Gestaltung von Lernprozessen, die Priorisierung der Handlungsfähigkeit, das Fördern von Dialogen, die Verdeutlichung von Sinnzusammenhängen beim Lernen, Interesse und Identifikation als Motivation sowie das aktive Mitgestalten durch die Lernenden (vgl. Krawitz 1997 zit. n. Feyerer 2012). (Klamp-Gretschel 2022, S. 20). Klamp-Gretschel bezeichnet hierbei „partizipative Ansätze, die die aktive Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Personen gewährleisten und zur Begegnung ‚auf Augenhöhe‘ beitragen“, als „am verlässlichsten“ (Klamp-Gretschel 2022: 20). Dabei dürfen jedoch die individuellen Bedarfe und Risiken sowie Interessen und Erfahrungen nicht vernachlässigt werden (ebd.). Schlüssel dabei ist die Kommunikation zwischen Teilnehmenden und teamender Person. Im Folgenden wird darauf eingegangen, was zu beachten ist, um einen abwechslungsreichen und erfolgreichen Workshop zu planen, der den vielfältigen Teilnehmenden gerecht wird.
Vor dem Workshop kann es sinnvoll sein, eine Art Checkliste parat zu haben, um wichtige Fragen im Vorfeld zu klären und sich bewusst zu machen, welche Aspekte bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Diese Fragen sollten sowohl körperliche und kognitive Fähigkeiten der Teilnehmenden adressieren, als auch soziale Gegebenheiten der Gruppe sowie räumliche Voraussetzungen des Veranstaltungsorts. Wichtige Fragen sind zum Beispiel:
- Gibt es Teilnehmende mit körperlicher Beeinträchtigung? Welche? Wie wirkt diese sich auf Kennenlernspiele (z.B. Mobilität), Gruppenarbeiten (z.B. Lautstärke), Plenum etc. aus?
- Gibt es Teilnehmende mit kognitiven Einschränkungen? Welche? Wie wirkt dies sich auf Kennenlernspiele (z.B. Komplexität), Gruppenarbeiten (z.B. Zeitplan), Plenum etc. aus?
- Gibt es Teilnehmende, die wenig oder kein Deutsch sprechen? Gibt es Teilnehmende, die übersetzen können?
- Gibt es BIPoCs oder migrantische Teilnehmende? Inwiefern ist dies wichtig (z.B. Teilung der Gruppe für Empowerment und Kritisches Weißsein; vorangegangene Vorfälle s. unten)?
- Gibt es starke Cliquenbildung? Kann ich z.B. durch eine gemischtere Sitzordnung entgegenwirken?
- Wie kommen die Teilnehmenden mit Einzelarbeit/Gruppenarbeit zurecht?
- Gibt es Konzepte, wie die Schule mit Störungen umgeht? Soll ich als Teamer*in mich daran halten?
- Aus welchem Grund gibt es den Workshop? Wunsch der Teilnehmenden, Wunsch der Eltern, der Lehrkräfte oder Projekttage?
- Haben die Teilnehmenden den Workshop thematisch gewählt? Ist die Teilnahme freiwillig?
- Welche vorangegangenen Vorfälle zum Thema gibt es? Z.B. Rassismusvorfälle durch Mitschüler*innen oder Lehrkräfte?
- Wie sind die räumlichen Gegebenheiten? Wie ist der Klassenraum ausgestattet? Kann ich Filme zeigen, PPP abspielen etc.? Gibt es einen zweiten Raum für Auszeiten, Gruppenteilung o.Ä.?
Neben Fragen zur Gruppe und den Räumen sind auch Fragen an mich selbst als teamende Person wichtig:
- Welche Vorerfahrungen habe ich selbst zu dem Thema? Wie beeinflussen sie evtl. den Workshop? Wie schaffe ich die nötige Distanz?
- Was brauche ich? (z.B. Lehrkraft als Ansprechpartner*in, an die man sich im Notfall wenden kann)
- Welche Kompetenzen bringe ich mit?
- Wo habe ich Fragen oder Unsicherheiten in Bezug auf das Thema? An wen kann ich mich ggf. wenden?
- Wie sind wir ggf. als Tandem aufgestellt?
- Bin ich in meinen Inhalten klar und verständlich?
- Spreche ich laut und deutlich?
- Bin ich sicher im Umgang mit einfacher Sprache?
Wenn diese Fragen beantwortet sind, kann die genauere Planung beginnen, für die zum Beispiel ein Konzept/eine ZIMM-Liste erstellt werden kann, die je eine Spalte für Zeit, Ziele, Inhalt, Methode und Material beinhaltet. Dabei sollte darauf geachtet werden, genügend Pausen einzuplanen, um den Teilnehmenden zu erlauben, den neuen und oft anspruchsvollen Stoff zu verdauen, sich weiter auszutauschen oder einfach zu erholen. Außerdem sollten abwechslungsreiche und vielfältige Sozialformen und Methoden gewählt werden, um unterschiedliche Lerntypen (auditiv, visuell, motorisch, kognitiv-intellektuell, kommunikativ) anzusprechen. Möglich sind z.B. Kleingruppenarbeit, Plenum, Einzelarbeit, aber auch Videos oder neue Medien wie Quiz-Apps o.Ä., stille Diskussion, Rollenspiele, Bewegungseinheiten oder Methoden mit haptischen Gegenständen. Sofern die Gruppe unbekannt ist und man vorher nicht nach besonderen Interessensschwerpunkten fragen konnte, kann es sinnvoll sein, sich an einigen Stellen mehrere Inhalte und/oder Methoden zu überlegen und die Teilnehmenden zu fragen, was sie vorziehen.
Es ist außerdem gerade bei einer unbekannten Gruppe sinnvoll, sich eine didaktische Reserve zu überlegen, die je nachdem, wie weit die Zeit fortgeschritten ist, weggelassen oder durchgeführt werden kann. Ebenso kann es sinnvoll sein, sich z. B. einen ruhigen Anker, wie eine interessante Stillarbeit, zu überlegen, der eingesetzt werden kann, sollte die Gruppe zu unruhig werden, aber auch aktivierende Zwischeneinheiten, wenn die Konzentration nachlässt.
Für ein besseres Verständnis und die Erfahrung der eigenen Kompetenz ist es außerdem oft zielführend, wenn die Teilnehmenden sich Zusammenhänge selbst erschließen, zum Beispiel in Gruppenarbeit oder einer Diskussion. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es nicht darum geht, den Teilnehmenden eine Meinung vermeintlich richtige Lösung einzutrichtern, sondern sie zu befähigen, sich mit politischen Themen und Fragen auseinander zu setzen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Wichtig ist, flexibel zu sein und die Planung gegebenenfalls an die Gruppe anzupassen. Beispielweise bevorzugen manche Gruppen eine Sitzordnung in Reihen statt im Stuhlkreis, weil es ihnen so leichter fällt, konzentriert zu bleiben und sich nicht gegenseitig abzulenken.
Allgemein sollte darauf geachtet werden, dass eine fehlerfreundliche Atmosphäre herrscht und Raum für Fragen und Anmerkungen gegeben ist. Es sollte deutlich werden, dass die Teamenden die Verbündeten der Schüler*innen sind und nicht eine Verlängerung der Lehrkräfte. Im besten Fall schaffen die Teamenden einen vertrauensvollen Raum, in dem die Schüler*innen die Angst vor Bewertung ablegen und sich offen und intrinsisch motiviert dem Thema widmen können. Damit das für alle möglich ist, ist es außerdem wichtig, regelmäßig zu klären, ob es Verständnisfragen gibt und bspw. Aufgabenstellungen und Fragen laut vorzulesen.
Auch wenn vor dem Workshop wahrscheinlich viel Zeit investiert wurde, um diesen zu planen und auf die Gruppe abzustimmen, ist es wichtig, während des Workshops flexibel zu bleiben und nicht unbedingt am Plan festzuhalten. Sollte sich während des Workshops zeigen, dass die Gruppe ein eigenes Beispiel mitbringt, für einen Teil des Workshops deutlich länger braucht oder sich sehr für einen anderen als den geplanten Hauptaspekt interessiert, sollte dies berücksichtigt werden und die Teilnehmenden als Meister*innen ihres eigenen Lernprozesses ernstgenommen werden. Denn Ziel ist es ja, die Teilnehmenden zu erreichen und nicht einen Plan auszuführen.
Literatur:
- Katzenbach, Dieter: Zu den Theoriefundamenten der Inklusion – Eine Einladung zum Diskurs aus der Perspektive der kritischen Theorie. In: Schnell, Irmtraud (Hrsg.): Herausforderung Inklusion, Theoriebildung und Praxis, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 2015, S. 23.
- Bertelmann, Lena; Düber, Miriam; Rohrmann, Albrecht: Inklusive politische Bildung durch Teilhabe und Einmischen. In: Meyer, Dorothee; Hilpert, Wolfram; Lindmeier, Bettina (Hrsg.): Grundlagen und Praxis inklusiver politischer Bildung. Bonn: bpb, 2020, S. 66–84.
- Klamp-Gretschel, Karoline: Umsetzung inklusiver politischer Bildung. Didaktische Empfehlungen für (außerschulische) Bildungseinrichtungen. In: Außerschulische Bildung. Zeitschrift der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. 3-2022. S. 19-25.
- Feyerer, Ewald: Allgemeine Qualitätskriterien inklusiver Pädagogik und Didaktik. In: Zeitschrift für Inklusion. 3-2012; inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/51/51 (Zugriff: 19.04.2022)
- Krawitz, Rudi: Pädagogik statt Therapie, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 1997 (3.Aufl.)
Beitrag von: Veronika Schimmer, Teamende in der Politischen Bildung
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