Arbeitstagung: We are doomed! Politische Bildung in der Postapokalypse
Politische Bildung verschreibt sich unverbrüchlich dem Optimismus. Die eigene Praxis scheint nur mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft sinnvoll. Szenariotechniken, Simulations- und Planspiele richten sich deshalb an Utopien und eben nicht an Dystopien aus. Schließlich will niemand den Untergang herbeireden oder gar planen (Neupert-Doppler, 2023). Der Blick in die Vergangenheit lehrt offenbar außerdem, dass sich in noch so aussichtslosen Situationen offenbar immer wieder Auswege fanden. Also: Keep on hoping!
Aber gilt das noch für die Gegenwart? Daran darf gezweifelt werden. Denn am Beginn des 3. Jahrtausends verbreitet sich der Eindruck, dass die Zukunft diesmal wirklich auf dem Spiel steht. Die Gegenwart wird als multiple Krise, als Metakrise oder geradezu neues Zeitalter beschrieben (Anthropozän, Kapitalozän, Plantagozän, „Chthuluzän“ (Haraway, 2018) oder anderes -ozän). Dabei sind es nicht Irrpfade oder außergewöhnliche äußere Ereignisse, die die gegenwärtige Situation herbeigeführt haben. Vielmehr ist es die eigene, „imperiale Lebensweise“ (Brand & Wissen, 2017), die eine „Kollapsologie“ (Servigne & Stevens, 2020) nährt.
Dieser Befund allein ist nicht unbedingt neu, sondern gehört durchaus zum Grundinventar kritischen Denkens und kritischer politischer Bildung. Etwas schmerzhafter drängt sich inzwischen allerdings der Eindruck auf, dass die bisherigen kritisch-aufklärerischen Strategien einer „reflexiven Moderne“ (Beck, 1993) selbst zum Problem werden. Aufklärung und Reflexion werden möglicherweise sogar zur Ermöglichungsbedingung einer apokalyptischen Maschine (Horvat, 2021), die fortwährend beschleunigt: denn Aufklärung beruhigt – man weiß ja eigentlich wie es geht.
Und nun? We are doomed! – weil die Apokalypse längst ihr modernes Antidot in sich aufgenommen hat: das Vademecum einer vernunftbasierten, kritischen Aufklärung. Damit erscheint es nicht mehr zielführend, von einer drohenden, einer kommenden Apokalypse zu sprechen, weil es in der modernen Welt längst keinen nicht-apokalyptischen Zustand mehr gibt. Zunehmend geht es um „Arts of Living on a Damaged Planet“ (Bubandt et al., 2017). Die Praxis politischer Bildung in der Postapokalypse erfordert ein grundsätzliches Überdenken ihrer epistemischen Grundlagen, ihrer zentralen Orientierungen, ihrer Begriffsbestände, ihrer Modelle usw.
Diesen Fragen widmet sich die interdisziplinäre Arbeitstagung "Politische Bildung in der Postapokalypse" vom 12. bis 13. September 2024 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Programm und weitere Infos: https://uol.de/politische-bildung/postapokalypse-2024
Anmeldung bis zum 6. September 2024 per E-Mail an: