Dossier: Gamification

// Johannes Kemnitz

Ein Computerspiel als Ausbilder – klingt erstmal ganz schön eigenartig. Die Auszubildenden sollen doch lernen und nicht spielen! Und doch hat Audi sich genau dazu entschlossen. Die Auszubildenden des Autoherstellers werden in dem Computerspiel “Virtual Training” zu virtuellen Verkäufern und klicken sich anschließend durch verschiedene Kundengespräche. Damit will Audi seine Ausbildung verbessern und Partnerbetrieben ein einheitliches Werkzeug an die Hand geben. Das Zauberwort dafür heißt: Gamification.

Vor ein paar Jahren galt die Gamification noch als ein Hype. Mit der Übernahme von Spielmechanismen (wie bspw. Punkteverteilung und Ranglisten) in nicht-spieletypische Umgebungen sollten so unterschiedliche Bereiche wie beispielsweise Steuererklärungen, das Zähneputzen oder die Diabetesfürsorge bei Kindern revolutioniert werden. Durch Edward Snowden erfuhr die Welt dass sogar die Geheimdienste beim massenhaften Überwachen auf spielerische Elemente setzten.

 

Auch für die Wirtschaft und besonders für die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen der Zukunft spielte die Integration von Spielelementen in den Arbeitsalltag eine große Rolle. So setzten einige Firmen auf “Recrutainment”. Zum Beispiel der private französische Postdienstleister formaposte, bei der Bewerber*innen um einen Ausbildungsplatz erst einige Minispiele spielen mussten um Zugang zu den Bewerbungsunterlagen zu bekommen.

Andere wiederum setzen Gamification im Arbeitsalltag ein. Während im deutschsprachigen Raum vor allem auf Kooperation bei spielerischen Prozessen geachtet wurde:

 

haben einige us-amerikanische Unternehmen einen größeren Fokus auf den Wettkampf gelegt:

Das Konzept ist jedoch sehr umstritten. Die Entgrenzung von Arbeitszeit und Freizeit ist das eine Problem. Der ständige Wettkampf unter den ArbeitnehmerInnen und die dadurch in Gefahr geratene Solidarität das andere. Auch die neoliberale Hoffnung, die Motivation zur Arbeit aus der Arbeit selbst zu ziehen, klingt nur im ersten Moment verlockend.

Auch Politik und Zivilgesellschaft experimentierten mit Gamification. Von 2008 bis 2011 erprobte die SPD auf meineSPD.net beispielsweise eine parteiinterne Onlinecommunity bei der auch spieletypische Elemente zum Einsatz kamen wie bspw. Punktverteilungssyteme und Ranglisten. Zivilgesellschaftlich ist vielleicht ARTigo eines der spannenderen Konzepte, wenn es auch schon etwas in die Jahre gekommen ist. Dort können Nutzende Schlagworte zu Kunstwerken zuordnen. Sie spielen dabei gegen andere Nutzende und erhalten für jedes Schlagwort einen Punkt. Die Kunstwerke werden dadurch verschlagwortet und sind besser durchsuchbar. Da die Kunstwerke mehrmals von verschiedenen Spielenden verschlagwortete werden, werden falsche Schlagworte schnell aussortiert.

 

Für die politische Bildung ist das Thema "Gamification" zwar nur ein Randthema, aber dennoch nicht uninteressant. Natürlich in der kritischen Auseinandersetzung aber auch als ein methodischer Zugang. Eine ganze Reihe an spannenden Inputs zum Thema bietet "Gamification: Spielen - Lernen - Arbeiten" von schule.at. Hier wird nicht nur in den Begriff eingeführt sondern auch über die Anwendung in der Praxis diskutiert:

 

 

Doch trotz des anfänglichen Hypes und der sehr akademischen Kritik: Viel hört man nicht mehr von der Gamification, allerhöchstens ein Nischendasein wird ihr noch zugesprochen. Doch ob das so bleiben wird darf bezweifelt werden. Vielleicht nicht unter diesem sperrigen Namen, aber der Einzug von Spielmechanismen in unseren Alltag hat längst Einzug gehalten.

 

weitere Informationen zu Gamification:


Interview mit Roman Rackwitz (Gamification Experte):

 

 

Interview mit Benedikt Frank (Journalist):

 

Prezi: Gamification – Warum es Spielverderber*innen künftig schwerer haben

Tagung "Gamification: Spielen - Lernen - Arbeiten"

Symbolbild: Clem Onojeghuo


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