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Wie beeinflussen digitale Medien die politische Bildung?

// Redaktion

Hate Speech, Filterbubbles und Populismus auf der einen Seite, neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe auf der anderen – digitale Medien bieten für die politische Bildung Herausforderungen und Chancen zugleich.

Ende 2017 veröffentlichte die Bundeszentrale für politische Bildung einen Rückblick auf die Tagung "Digitalisierung der politischen Bildung. #Politik #Medien #Bildung #TheoriePraxis". Ihre fünf Thesen zur politischen Bidung mit Medien sind auch heute noch sehr lesenswert, daher wollen wir den Text hier noch einmal zur Verfügung stellen.

In den digitalen Medien, vor allem auf Social-Media-Plattformen, haben sich Phänomene etabliert, die gesellschaftlich problematisch sind: Bei der täglichen Nutzung digitaler Angebote kommen Kinder und Jugendliche oft direkt mit Hass, Gewaltdarstellungen oder mit extremen Meinungen in Kontakt. "Aufgabe von politischen Bildungsangeboten muss es sein, junge Menschen bei ihrer Mediennutzung zu begleiten, sowie Anleitungen zur partizipatorischen Nutzung des Internets zu vermitteln", so Karin Wild, Referatsleiterin beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, bei der Fachtagung "Digitalisierung der politischen Bildung". Wichtig sei es, digitale Medien nicht bloß als potenzielle Bedrohung zu sehen, sondern auch deren Möglichkeiten zu erkennen: "Bereits bestehende Phänomene lassen sich nicht zurückdrehen, aber Medien lassen sich verstehen und gestalten", so Politikwissenschaftlerin Dr. Jasmin Siri.

Im Rahmen der Fachtagung hielten Expertinnen und Experten Vorträge zu verschiedenen Themen innerhalb des Bereichs Digitalisierung, digitale Medien und politische Bildung. Fünf ihrer Thesen erläutern wir hier näher.

1. Neue Medien erfordern neue Medienkompetenzen bei Lernenden wie Lehrenden

Wie schütze ich meine privaten Daten, welche Inhalte teile ich in sozialen Netzwerken, und wie gehe ich mit Cybermobbing um? Das alles sind Fragen, die vor allem in den letzten Jahren aktuell geworden sind. Kinder und Jugendliche sind mit ihnen häufig überfordert oder müssen überhaupt erst dafür sensibilisiert werden. Prof. Dr. Sven Kummer von der RWTH Aachen und Sprecher der Initiative KBoM – Keine Bildung ohne Medien verwies auf das Medienkompetenzmodell nach Dieter Baacke und die Notwendigkeit, bei dessen Elementen (Mediennutzung, Medienkunde, Medienkritik und Mediengestaltung) immer aktuelle Entwicklungen der digitalen Medien mitzudenken. Das erfordere allerdings erhöhten persönlichen Einsatz der Lehrenden, weil sie stets auf dem Laufenden bleiben und sich fortbilden müssten. Kummer nannte Informatikkenntnisse als Beispiel für eine Kompetenz, die sowohl von Lehrenden als auch von Kindern und Jugendlichen heute erlernt werden sollte: "Nicht jeder muss programmieren können, aber jeder sollte Ahnung davon haben, wie bestimmte Dinge einzuordnen sind."

2. Politische Bildung muss immer auch Medienbildung sein

Medien sind als vierte Gewalt untrennbar vom politischen Geschehen. Sie sollen dazu dienen, sich zu informieren und eine Meinung zu bilden. Einerseits ist die Informationsbeschaffung durch die Möglichkeiten des Internets so einfach wie nie zuvor, andererseits wird die Meinungsbildung durch Phänomene wie Fake News oder gezielte Propaganda erschwert. "Online-Plattformen werden von Akteuren gezielt für deren nicht-neutrale Zwecke instrumentalisiert, was oft aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist", so Dr. Jasmin Siri. Medienbildung müsse deshalb dazu befähigen, den Wahrheitsgehalt einer Meldung beurteilen zu können, herauszufinden, woher sie kommt, wer dahintersteht, welche Weltsicht ihr zugrunde liegt und was die Senderin oder der Sender damit bezwecken möchte. Prof. Joachim von Gottberg von der Universität Halle-Wittenberg nannte als Grund für radikalisierte Meinungen, dass Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien sich in einer "Filterblase" befänden und genau mit dem beliefert werden, was ihrer persönlichen Haltung entspräche, wodurch diese noch bestärkt werde. Erziehung zur Diskurs- und Demokratiefähigkeit bedeutet für ihn, Wege zu finden, Meinungen pluralistisch abzugleichen.

3. Klassische Mittel der politischen Bildung erreichen Kinder und Jugendliche nicht mehr

Das Medienhandeln heutiger Kinder und Jugendlicher ist laut Dr. Ilona Cwielong von der RWTH Aachen davon geprägt, dass Medien personalisiert genutzt werden. Auf Plattformen wie Facebook, YouTube oder Snapchat werde der Newsfeed nach eigenen Vorlieben selbst zusammengestellt. Junge Leute bevorzugten Studien zufolge bildlastige Inhalte wie Fotos und Videos mit wenig Text. Sie ließen sich besonders von emotionalen, persönlichen und affektiven Inhalten ansprechen. Zudem verlören klassische Medieninstanzen an Bedeutung, während Influencern großes Vertrauen ausgesprochen werde, so Dr. Jasmin Siri. Wenn Mittel der politischen Bildung Kinder und Jugendliche auch außerhalb des Unterrichts oder sonstiger Bildungsveranstaltungen erreichen wollen, müssten sie diese Nutzungsvorlieben stärker beachten und ihre Angebote dahingehend verändern.

4. Digitale Medien eröffnen neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe

Online-Petitionen starten, mit anderen diskutieren oder Gleichgesinnte finden: Digitale Medien und soziale Netzwerke bieten zahlreiche Möglichkeiten der Teilhabe und zu gesellschaftlichem Engagement. Dr. Jasmin Siri sieht neue Gestaltungsmöglichkeiten vor allem darin, dass bisher unsichtbare Gruppen an Sichtbarkeit gewinnen können und sich Partizipation über das Internet besonders kostengünstig und von zu Hause aus organisieren lasse. Dabei seien die Einstiegsbarrieren extrem niedrig. Jeder, der über einen Internetanschluss verfügt, könne sich einbringen. Politische Bildnerinnen und Bildner müssten sich dieser Möglichkeiten und Chancen bewusst werden und jungen Menschen gezielt vermitteln, wie sie digitale Medien für sich nutzen und sich durch sie einbringen können.

5. Politische Bildung heißt auch, mit Extremen umzugehen

Dass im Netz jeder Inhalte verbreiten kann, habe auch zur Folge, dass absurde und menschenverachtende Ideen artikuliert werden können, so Prof. Joachim von Gottberg. Während klassische Medien theoretisch noch durch Gesetze reguliert werden können, seien digitale Medien in dieser Hinsicht entfesselt und entzögen sich oft jeglicher Kontrolle. Christian Meeser von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien berichtete auf der Tagung von Mitteln seines Fachbereichs, um jugendgefährdende Inhalte zu indizieren. Schnell wurde deutlich, dass die Mittel der Prüfstelle begrenzt sind. Da es fast unumgänglich sei, dass Kinder und Jugendliche mit gefährdenden Inhalten konfrontiert werden, wenn sie sich frei im Netz bewegen, müssten Medienkompetenz und politische Bildung heute auch Möglichkeiten einschließen, mit diesen Inhalten umzugehen. Für Lehrende bedeute das, Empathie zu fördern und über ethische Fragen zu diskutieren, so Prof. Joachim von Gottberg. Dr. Jasmin Siri betonte, dass Hass im Internet von einzelnen, besonders lauten Stimmen ausgehe, denen es meist nicht um politische Motive, sondern um persönliche Anerkennung gehe. Da es nichts nütze, mit diesen Menschen zu diskutieren, müsse man die Mehrheit adressieren und ihnen dieses bewusst machen.

Quelle: werkstatt.bpb.de

 

 

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz von bpb/Katharina Guth veröffentlicht.by-sa/4.0

 

 

Symbolbild: Medienbildung soll dazu befähigen, den Wahrheitsgehalt einer Meldung zu beurteilen. ( Graphic Recording/Foto: Rebecca Ebel / bearbeitet / Lizenz CC BY-SA 4.0 )

Disclaimer: 
Der Beitrag bezieht sich auf die Fachtagung "Digitalisierung der politischen Bildung. #Politik #Medien #Bildung #TheoriePraxis" des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben am 5. und 6. Oktober 2017 in Bad Oeynhausen.


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